Neue Perspektiven für den Einzelhandel

Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wurde am 6.6.2017 in einem großen Forum die Diskussion um die Zukunft des Einzelhandels fortgeführt. Nicht nur die Ergebnisse der Dialogplattform Einzelhandel standen im Vordergrund, sondern vor allem auch die Konsequenzen für alle Stakeholder, insbesondere aber auch für die Politik.


Ministerin Brigitte Zypries fasste wichtige Herausforderungen für den Handel zusammen. Klassisch stehen Digitalisierung und Internet ganz vorne und versprochen wurde die Forcierung des Breitbandausbaus. Ihre Äußerungen über ihr eigenes Kauf- und Konsumverhalten machten aber auch deutlich, dass sie (noch?) oldschool denkt: Das nostalgische Beschützen des „Blumenhändlers an der Ecke“ über den Apell an die Shopper kann und wird den Einzelhandel nicht davor schützen, dass er „mit der Zeit“ gehen muss und die zukünftigen Anforderungen aus verändertem Verbraucherverhalten und technologischen Entwicklungen in die Geschäftsmodelle der Zukunft integrieren muss. Diese Perspektive stärkte auch Stephan Genth vom HDE.

Der HDE-Präsident Sanktjohanser fasste seine Sicht der Zukunft so zusammen, dass seines Erachtens zu erwarten sei, dass Convenience sich ins Netz verlagern wird und Erlebnis im stationären Handel gesucht wird. 

Ähnlich ist auch unsere Prognose. Was wir erwarten, ist eine verstärkte Aufgabenverteilung zwischen Online- und Offline-Handel – wobei es naiv wäre zu denken, dass man heute Online- und Offline-Handel voneinander trennen könnte:

1. Shopper suchen soziale Kontakte und multisensorale Erlebnisse. Solche Erlebnisse kann der stationäre Einzelhandel am besten bieten. Auch in der Zukunft spielen Geschäfte eine wichtige Rolle.

2. Einkaufen macht nicht immer Spaß, sondern kann auch anstrengend, gar stressig sein. Routine- und Plankäufe und Käufe mit hohem Standardisierungsgrad finden verstärkt online und mobil statt – oder automatisch über das Internet der Dinge.

Dies eröffnet die Frage: was bedeutet das für die Innenstädte? Ob digitale Innenstädte eine Lösung sein werden, um den Einzelhandel zu stärken, wird abzuwarten sein. Für die Realität zeichnet sich aber ab, dass die unterschiedlichen Formen des Handels – Online- und Offline-Handel – unterschiedliche Aufgaben für den Kunden übernehmen. Dass also diese Kanäle durch die Händler verknüpft und integriert werden müssen, um diese Aufgaben erfüllen zu können, gilt deshalb heute und in der Zukunft weiterhin in besonderem Maße. 

Die Diskussion in der Dialogplattform Einzelhandel macht eins deutlich: Wir müssen uns nicht immer nur mit den „Anforderungen der Digitalisierung“ beschäftigen. Es geht nicht um Technologieoptimierung und Digitalisierung und die Produktion von Big-Data-Clouds. Es geht vielmehr um den Kunden, der (wieder) ins Zentrum der Diskussion gerückt werden sollte. Technologien sind Support-Elemente, die dem Einzelhandel unterstützen sollen und können, Kundenerlebnisse zu schaffen und Verbraucheranforderungen gerecht zu werden.


Nicht diskutiert wurden weitere wichtige Entwicklungen. Ein paar Beispiele: Kunden kaufen heute nicht mehr alles, sondern teilen immer mehr. Kunden wollen auch nicht mehr nur „Neuware“. Kunden wollen (oder sollen) immer mehr individualisierte Produkte nachfragen. Hier ist also noch vieles offen, was wir diskutieren und in der Forschung adressieren müssen. Welche Auswirkungen hat der Wunsch nach „Sharing“? Welche Rolle spielt der Handel in der Zukunft? Aber auch: Wie können Kunden die Herausforderungen bewältigen, die auf sie zukommen, weil sie (wieder) mehr Aufgaben in der Wertschöpfungskette übernehmen müssen? Wie soll das vor allem der Teil der Bevölkerung tun, der im ländlichen Raum lebt?

Wir setzen deshalb mit der Dialogplattform Einzelhandel die Diskussion weiter fort.

Teilnahme an der Marketing Academy Conference 2017

Teilnahme an der Marketing Academy Conference 2017

Ende Mai besuchten Frau Theresia Mennekes und Herr Frederic Nimmermann die European Marketing Academy Conference 2017 in Groningen, Niederlande. Mit über 400 Präsentationen und drei Präsentationstagen gilt die EMAC als größte innereuropäische Marketingkonferenz. Sowohl Frau Mennekes als auch Herr Nimmermann konnten vor Ort jeweils ihre aktuellen Forschungsergebnisse präsentieren.

Frau Mennekes befasste sich mit dem Thema „How storytelling affects the consumer: the impact oft he fit between story and brand“. Storytelling wird besonders für Unternehmen zunehmend interessanter, um sich gegenüber der Konkurrenz zu profilieren und den Endverbraucher zu beeinflussen. Im Vergleich zur klassischen werblichen Kommunikation soll eine als Story verpackte Unternehmenskommunikation die Aufmerksamkeit der Konsumenten erhöhen und die Erinnerung an sie erleichtern. Die Art und Weise, wie eine Story verfasst wird, spielt eine tragende Rolle. Anhand einer empirischen Studie wurde der Einfluss einer Story auf den Konsumenten und die Bedeutung der Passung von Marke und Story genauer beleuchtet. Zunächst zeigten die Studienergebnisse, dass eine Story offensichtlich keine oder nur kaum eine Wirkung auf Probanden hat, die gegenüber der Stammmarke positiv eingestellt sind. Bemerkenswert ist, dass eine Geschichte bei diesen „Markenfans“ nicht übertrieben wirkt und keine negativen Auswirkungen hat. Eine Story scheint dafür umso stärker zu wirken, je neutraler oder negativer die Einstellung gegenüber der Dachmarke ist. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass eine Story sich möglichst an die Unternehmensmarke und dessen Werte anlehnen sollte, um positiv auf den Konsumenten zu wirken. Die Einstellung und die Preisbereitschaft eines Konsumenten sind höher, wenn eine Story mit Fit zur Marke verinnerlicht wird. Auch zeigen die Ergebnisse, dass es dem Anschein nach besser ist, gar keine Geschichte zu erzählen, statt eine Story zu kommunizieren, dessen Werte nicht mit der Stammmarke harmonieren.

Herr Nimmermann stellte zwei Studien unter dem Dachthema „Does Mental Construal impact the perception of incongruent advertisment?“ vor. Im Speziellen geht es hierbei um die Frage, ob Werbung, die entweder eine Marken-Kontext-Kongruenz aufweist (z.B. Logitech im Rahmen von eSport oder Volkswagen in einem Rennspiel) oder eine Inkongruenz wie beispielweise Levi’s in beiden Fällen, durch mentale Abstraktionslevel beeinflusst werden kann. Aufbauend auf der Construal-Level-Theorie wird postuliert, dass ein abstrakteres Denkvermögen und damit einhergehend breitere Schemata sich positiv auf die „Passgenauigkeit“ zwischen einer inkongruenten Marke und dem Kontext auswirken, d.h. eine positive Fit-Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Werbung. Die Ergebnisse zeigen, dass sich in der Tat ein abstrakteres mentales Abstraktionsniveau positiv auf inkongruente Marken auswirkt, während in einem konkreten Abstraktionsniveau kongruente Marken, aufgrund der „offensichtlichen“ Verbindung, bevorzugt werden. Darüber hinaus kann festgehalten werden, dass eine zentrale Variable, die Glaubwürdigkeit der Werbung, positiv durch einen Match von Abstraktionslevel und Kongruenzlevel beeinflusst wird. Letzteres ist insbesondere bei inkongruenten Marken wichtig, um die Verbindung zwischen Kontext und Marke im Rahmen der Verarbeitung zu untermauern.

Die Konferenz fand ihren Ausklang mit einem wunderbaren Dinner am letzten Abend. Beide Doktoranden waren mit dem Feedback auf der EMAC äußerst zufrieden. Zudem konnten viele neue Kontakte geknüpft werden, sowohl inter- als auch national.

Außenhandelsausschuss tagt zum Thema Internationales Marketing

Außenhandelsausschuss tagt zum Thema Internationales Marketing

Beim Außenhandelsausschuss der IHK Siegen, der in Bad Berleburg bei BSW Berleburger Schaumstoffwerk GmbH tagte, referierte Frau Prof. Hanna Schramm-Klein zum Stand und zu Strategien und Erfolgsfaktoren der Internationalisierung mittelständischer Unternehmen. Ein besonderer Fokus lag auf der Diskussion von Stolperfallen im internationalen und interkulturellen Marketing.

Bei vielen Unternehmen ist die Devise „Internationalisierung … läuft …“, aber schaut man spezifischer auf die Internationalisierungs-Aktivitäten, dann wird deutlich, dass sehr häufig wirklich strategische Ansätze der Planung und der Steuerung der Internationalisierung eher die Ausnahme als die Regel bilden.

So verwundert es auch nicht, dass der Fokus der als am wichtigsten angesehen Themenfelder im internationalen Management der Unternehmen eher in operativ-taktischen Feldern wie der Steuerung der Supply-Chain-Aktivitäten oder der Optimierung der internationalen Produktportfolios liegt als in einer systematischen Steuerung der Internationalisierung. „Wir laufen oft hinterher“ – „wir haben doch gar nicht die Manpower oder die Ressourcen, um Internationalisierung systematisch zu planen“ – oder „Internationalisierung hat sich einfach so ergeben“ – so lautete die Devise einiger der teilnehmenden Unternehmen.

Gerade mittelständische Unternehmen können davon profitieren, sich im internationalen Geschäft nicht „durchzuwursteln“, sondern sich systematische Internationalisierungsstrategien und systematische Ansätze des strategischen internationalen Marketing zu erarbeiten und diese umzusetzen. Auf diese Weise erhalten sie die Möglichkeit, nicht immer nur den wichtigen Kunden, den Wettbewerbern oder sich gerade fallweise auftuenden Marktchancen hinterherzulaufen. Stattdessen können sie ihre Ressourcen systematisch auf die relevanten und Chancen bringenden Märkte ausrichten und gezielt einsetzen. „Dafür haben wir keine Zeit“ oder „dafür sind wir zu klein“ ist keine Ausrede: Systematik, Strategie und Planung sind nämlich keine Frage der Größe, sondern der Intelligenz…

Im Außenhandelsausschuss wurden die strategischen Implikationen diskutiert und reflektiert. Insbesondere bei der  ein oder anderen der exemplarisch dargestellten Stolperfallen erkannten sich einige Unternehmer wieder. Hier lassen sich Potenziale erahnen: Was könnte möglich sein, wenn Internationalisierung strategisch gesteuert werden würde?

Der Tagungsort – BSW in Bad Berleburg – zeigt, was möglich ist: Absolute Weltmeisterspitze. So konnten auch die Weltmeisterschuhe von Usain Bolt, der auf der von BSW produzierten Tartanbahn zwei Weltrekorde lief, aus- und anprobiert werden. So richtig „Jogging“-geeignet sind sie allerdings nicht…

Dialoplattform Einzelhandel – Beirat berät Handlungsempfehlungen im Bundeswirtschaftsministerium 

Als Mitglied des Beirats der Dialogplattform Einzelhandel hat Prof. Schramm-Klein im Bundeswirtschaftsministerium über Möglichkeiten des Supports des Einzelhandels im Rahmen der Digitalisierung diskutiert. Im Rahmen der Dialogplattform wurden Handlungsempfehlungen erarbeitet. Erforderlich sind vor allem:

  • Strategien zur Befähigung des Handels, neue Technologien zu nutzen und strategisch einzusetzen, und 
  • Werkzeuge, die den Handel dabei unterstützen.

Modellprojekte können helfen, Strategien zu fördern, Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln und Kooperationen aufzubauen und zu nutzen.

Mit unserem Zukunftslabor Einzelhandel haben wir bereits 2016 ein derartiges Modellprojekt aufgesetzt, das Modell für weitere Labore stehen sollte.

Professor Schramm-Klein im Beirat des Projektes PERSPEKTIVE Südwestfalen

Professor Schramm-Klein im Beirat des Projektes PERSPEKTIVE Südwestfalen

Das Projekt „PERSPEKTIVE Südwestfalen“ hat begonnen und es hat sich nun auch ein entsprechender Beirat als projektbegleitendes Gremium konstituiert, in dem Professor Schramm-Klein Mitglied ist. Das Ziel des Projekts: SchülerInnen und Studierende für die Region begeistern und Neubürgern das Ankommen in der Region zu erleichtern. Die Aufgabe des Beirats ist es, mit dafür zu sorgen, dass die vorhandenen Kompetenzen und Strukturen Südwestfalens dazu optimal genutzt werden.

Informationen zum Projekt gibt es hier.

Leistung der Einzelhändler und Kundenerwartungen kollidieren

Leistung der Einzelhändler und Kundenerwartungen kollidieren

Der stationäre Einzelhandel befindet sich momentan in einem stark wandelnden Umfeld. Durch den technologischen Wandel und die fortschreitende Digitalisierung verzeichnet der Online-Handel im Jahr 2015 mit 12% gegenüber dem stationären Einzelhandel (3,1%) einen stärkeren Zuwachs (Handelsverband Deutschland 2016, S. 4 ff.). Neben dem technologischen Wandel spielt auch das veränderte Kundenverhalten eine Rolle für den Einzelhandel. Demnach haben Kunden heutzutage ein größeres Informationsbedürfnis, welches sie mittels Produktinformationen und Produktbewertungen aus dem Internet stillen (Grabs/ Sudhoff 2014, S. 17). Umso wichtiger ist es für Einzelhändler, dem Kunden im Laden einen Mehrwert zu bieten, indem er durch eine attraktive Ladengestaltung und der Befriedung des Informationsbedürfnisses des Kunden einen Kauf im Internet vorbeugt. Dafür können beispielsweise neue Technologien im Ladengeschäft eingesetzt werden (Ternès/ Towers/ Jerusel 2015, S. 16 ff.). Dass die Adaption von Technologien generell dringlich und wichtig ist, kann mittlerweile als allgemein gültig angesehen werden (Bucher 2016, o. S.). Möchte ein Handelsunternehmen in der Zukunft wettbewerbsfähig bleiben, so ist es zwingende Bedingung, dass es Online aufzufinden ist (Koch 2016, o. S.). Allerdings zeigt eine Studie zur Digital Readiness der BVDW, dass mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch nicht in der eigentlichen Digitalisierungsphase angekommen sind.

Der Lehrstuhl für Marketing der Universität Siegen führte eine Studie zu neuen Technologien auf der Verkaufsfläche mit Händlern und Kunden durch. Die Ergebnisse zeigten, dass Händler eine geringe Bereitschaft mitbringen, in hochpreisige POS-Technologien zu investieren, trotz der Bereitschaft von Kunden, diese zu nutzen. Die allgemeine, eher moderate Bereitschaft zur Nutzung von POS-Technologien kann wahrscheinlich auf die Unbekanntheit dieser Innovationen zurückzuführen sein. Grundsätzlich haben allerdings sowohl Händler als auch Kunden einen positiven Standpunkt bezüglich neuer Technologien. Die Studienergebnisse veranschaulichen darüber hinaus, dass die Erwartungen des Kunden mit den Leistungen des Händlers kollidieren (siehe Abbildung).

Es zeigt sich, dass Konsumenten zwar von stationären, inhabergeführten Einzelhändlern bei weitem nicht den Technologieeinsatz erwarten, wie von größeren Filialisten, dass aber Techniken, wie eine eigene Webseite oder eine Präsenz auf sozialen Webseiten grundlegend sind und der Kunde diese voraussetzt. Von vereinzelten Händlern, die etwas größer aufgestellt sind, wird ein mobil optimierter Auftritt erwartet. Auch die Suchmaschinenoptimierung über Google ist ein großes Thema, dem Händler Beachtung schenken sollten. Von großen, namenhaften Händlern erwartet der Kunde deutlich mehr. Neben einer digitalen Warenwirtschaft werden Multi-Channel-Services verlangt. Der Kunde möchte Produktinformationen immer und überall verfügbar haben, unabhängig vom jeweiligen Kanal, den er gerade nutzt. Konsumenten werden in ihrem Einkaufsverhalten zunehmend unabhängiger von örtlichen und zeitlichen Beschränkungen (z.B. Öffnungszeiten der Läden, Zugang zu PC und Internet, etc.) und nutzen in nahezu jeder Situation den gerade verfügbaren Kanal bzw. die Kanalkombination, die ihnen das bestmögliche Einkaufserlebnis ermöglicht. Grundlage für das „Everywhere Shopping“ und „Everywhere Commerce“ ist die Verfügbarkeit neuer Technologien und deren Nutzung durch die Konsumenten im Rahmen des Kaufprozesses. Durch die zunehmende Verbreitung internetfähiger Endgeräte, die Konsumenten durch den Tagesablauf begleiten, kann beispielsweise zu jeder Zeit und von überall aus online eingekauft werden.