Stadtmenschen und Landmenschen

Stadtmenschen und Landmenschen

Betrachtet man heutzutage die Kommunikationskampagnen der großen Markenartikler, bekommt man das Gefühl, dass die Werbung geprägt sei vom urbanen Lifestyle: Coffee-to-go trinkende Hipster auf dem Weg zum After-Work-Date oder Latte-Macchiato-Mütter und Working Mums, die mit ihrem Lifestyle-Kinderwagen auf dem Bio-Markt einkaufen.

Zwar beobachtet man seit langem einen anhaltenden Trend der Landflucht, doch auf der anderen Seite wird häufig argumentiert, dass das Leben auf dem Land nicht nur schöner, sondern auch gesünder und nachhaltiger wäre, und der schick-ländliche Lifestyle à la Landlust gewinnt immer mehr an Attraktivität. Zudem sind etwa 90 % der Fläche in Deutschland dem ländlichen Raum zuzurechnen und rd. 58 % der Bevölkerung leben im ländlichen Raum (BMEL 2015). Ist es dann sinnvoll, urban geprägte Werbung als Standardtyp der Werbung einzusetzen?

Mit einer aktuellen Studie unter 2.426 deutschen Verbrauchern – etwa zur Hälfte aus städtischen und zur Hälfte aus ländlichen Gebieten – haben wir uns dieser Frage gewidmet. Dabei zeigt sich, dass die Verbraucher erwartungsgemäß völlig andere Attribute als städtisch oder als ländliche empfinden, je nachdem, wie ihr eigener Lebensraum geprägt ist: Während Bewohner urbaner Räume Attribute wie pragmatisch oder robust als typisch städtisch empfinden, halten Bewohner ländlicher Räume derartige Attribute gerade für besonders kennzeichnend für ländlich geprägte Kommunikation. Städter empfinden urban geprägte Werbung als ehrlich, vertrauenswürdig oder familienorientiert, während Landbewohner gerade ländlich geprägte Kommunikation mit diesen Attributen verbinden. Und auch das, was als fortschrittlich oder dynamisch angesehen wird, korrespondiert mit dem Lebensraum: urban geprägte Werbung steht nur für Stadtbewohner für Fortschritt, Dynamik oder Modernität. Landbewohner schreiben diese Merkmale gerade der ländlich geprägten Kommunikation zu.

Diese Ergebnisse verwundern nicht – was verwundert ist eher, dass ein Lebensstil-Stereotyp als Standard in der Kommunikation breit in die Fläche gegeben wird, ohne die Besonderheiten der Lebensräume zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die Entwicklung der meisten Innovationen: Entwickelt wird für die Stadt – oft im Glauben, dass dies mit größtdenkbarem Fortschritt oder Dynamik assoziiert wird. Unsere Studie zeigt: Das ist gerade in der Kommunikation ein Fehlschluss. Kommunikation sollte an die Lebensräume und Lebenswelten der Zielgruppen angepasst werden.

Der gerade aktuell so hochproklamierte urbane Lifestyle geht so manchen Landbewohnern schlicht auf den Keks, denn sie halten ihn nicht selten für unehrlich und wenig vertrauenswürdig. Auf der anderen Seite finden Stadtbewohner Selbstbestätigung in städtischer Kommunikation und empfinden ländliche Kommunikation eher als rückständig, wenig fantasievoll und unmodern.

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