Forschungszentrum für Verbraucherschutz und verletzliche Verbraucher eröffnet

Forschungszentrum für Verbraucherschutz und verletzliche Verbraucher eröffnet

Wie viel Verbraucherschutz brauchen wir? Brauchen bestimmte Verbrauchergruppen – nämlich die verletzlichen Verbraucher – eine besondere Form des Verbraucherschutzes? Und wer sind eigentlich die verletzlichen Verbraucher und wie viele gibt es davon?

Mit einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion, bei der diese und weitere Fragen im Vordergrund standen, wurde das Zentrum für Verbraucherschutz und verletzliche Verbraucher im Forschungskolleg der Universität Siegen eröffnet. Das Zentrum leistet inter- und transdisziplinäre Forschung: Ziel ist es, relevante Fragestellungen der Verbraucherwissenschaften zu erkennen, zu erfassen, zu erklären und zu gestalten. Das Forschungszentrum arbeitet sowohl mit anwendungsorientierter Grundlagenforschung als auch mit transformativer Forschung, die sich an konkreten Problemen von Verbraucherverhalten und Verbraucherpolitik orientiert und explizite Umsetzungsansätze konkretisiert. Verbraucher, Verbraucher- und Verbraucherschutzinstitutionen werden dabei explizit in die Forschungsprozesse mit eingebunden. Initiiert wurde das Forschungszentrum von Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein (Lehrstuhl für Marketing), Dr. Gunnar Mau (Lehrstuhl für Marketing), Dr. Michael Schuhen (Zentrum für Ökonomische Bildung) und Prof. Dr. Christoph Strünck (Lehrstuhl für Politikwissenschaft, insbes. Sozialpolitik).

Doch wie viel Verbraucherschutz ist notwendig? Welchen Stellenwert kann Verbraucherbildung einnehmen? Und wie weit soll der Staat eingreifen, um verletzliche Verbraucher zu schützen? Bei der Podiumsdiskussion anlässlich der Eröffnung standen diese Fragen auf der Tagesordnung. „Werbung für Leistungen oder Produkte kann zu besseren Angeboten führen, aber auch zur Manipulation in eine Richtung“, sagte Clemens Grünwald (datenschutz nord GmbH). „Es gibt situative Benachteiligungen, zum Beispiel bei den kostenpflichtigen IGEL-Leistungen beim Arzt. Hier fehlen uns einfach die Informationen, das sollte verboten werden“, sagte Wolfgang Schuldzinski, Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf).

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Doch ist ein Verbot immer das richtige Instrument? Nein, erklärte Prof. Dr. Peter Kenning, Professor für Marketing an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und Sprecher des Netzwerks Verbraucherforschung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz: „Lebensmittel mit einem hohen Zuckergehalt kann ich verbieten, ich kann sie aber auch kennzeichnen.“ Zum Beispiel durch eine Ampel den Produkten. Doch hilft diese Maßnahme, Übergewicht zu vermeiden? Das möchte das neue Zentrum untersuchen. „Dadurch möchten wir der Verbraucherpolitik und der Gesellschaft Handreichungen geben“, sagte Prof. Schramm-Klein. Klar ist: Ein bloßes „Mehr“ an Informationen ist nicht immer hilfreich, schließlich gibt es Verbraucher, die sich gerne auf die breite Masse verlassen und gar keine Preise oder Leistungen vergleichen wollen.

Eine Aufgabe des Zentrums wird daher sein, die Gründe für die Entscheidungen von Verbrauchern zu ermitteln. Denn darüber liegen in der aktuellen Forschung zu wenig Daten vor. „Wir benötigen Daten, um bei Verbraucherpolitischen Themen eine Basis zu haben. Das ist unsere Aufgabe als Forscher. Sonst regulieren wir im Blindflug“, sagte Prof. Kenning. Dass trotz der Millionen-Investitionen in Marketing und Kommunikation viele Produkte am Markt „floppen“, zeige, wie wenig über die Motivation der Käufer bekannt sei.

Eine der gefährdeten Gruppen sind Kinder. Dr. Michael Haas arbeitet mit dem Verein Media Smart daran, ihnen die nötigen Kompetenzen zu vermitteln im Umgang mit modernen Medien zu vermitteln und gibt diese didaktischen Hilfestellungen auch an Schulen weiter.

„Und wann ist die Politik gefragt, einzugreifen?“, fragte Moderatorin Ursula Weidenfeld (Wirtschaftsjournalistin)? „Oftmals werden Probleme durch mediale Öffentlichkeit Thema in der Politik, der Staat greift dann oft ein, wenn der Handel es nicht leisten kann und es zu einem Marktversagen kommt“, sagte Prof. Kenning. Der Staat könnte jedoch nicht nur reagieren, sondern Verbraucher auch in die richtige Richtung „stubsen“ (englisch: Nudging).

In Schweden beispielsweise gibt es eine Verpflichtung zur Altersvorsorge. „Sinnvolle ‚Stubser’ können fehlende Kompetenzen ersetzen und helfen, richtige Entscheidungen zu treffen“, sagte Prof. Schramm-Klein. Sie stellt jedoch klar: „Es geht nicht darum, zu 100 Prozent eine rationale Entscheidung zu treffen, sondern es geht darum, ein lebenswertes Leben zu führen. Wenn Verbraucher so gefährdet sind, dass sie dies nicht mehr können, müssen sie geschützt werden.“

 

 

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